WOGA 2024 – Drei Geschichten

Ein Spaziergang durch Wuppertal während der WOGA 2024 ist ein Blick hinter die Fassaden der Stadt. Nicht nur Ateliers und Galerien öffnen ihre Türen, sondern auch private Wohnungen verwandeln sich in einzigartige Ausstellungsräume. Beim Besuch von drei Künstlerinnen wurde das Gewöhnliche plötzlich zum Außergewöhnlichen. Alle drei betreiben die Kunst neben ihrem Beruf, und wie durch Zufall haben ihre Geschichten einiges gemeinsam.

Die Künstlerin Borys zeigt in ihrer Küche gemalte Schattenrisse. Dies sei, laut Borys, eine persönliche Studie der porträtierten Person – obwohl gerade ein Schattenriss eine sehr anonyme Darstellung ist. Aufgewachsen im ukrainischen Donezk, wo sie bis zum Jahr 2004 lebte, erlebte sie gelegentlich Stromausfälle. Als Ablenkung bastelte sie damals erste Schattentheater. Dieses Motiv verfolgte sie weiter und kreierte schließlich ihre farbigen Schattenriss-Bilder. Im Wohnzimmer, das an ihre Küche grenzt, zeigt sie eine weitere Werkgruppe: surrealistische Arbeiten auf Leinwand oder Holz, Motive, die sie träumte, oder die bildliche Darstellung eines Musiktitels. Bereits im Treppenhaus konnte man auf dem langen Weg nach oben einen Eindruck davon bekommen und auch Magrittes, Dalis und Frida Kahlos surrealistische Einflüsse in kolorierten Zeichnungen erkennen. Hauptberuflich arbeitete Borys als Sozialarbeiterin, mittlerweile bei einem Bildungsträger. In der Kunst findet sie Ausgleich und Freiheit. Auf ihrer Visitenkarte ist eine Taube zu sehen, deren Flügel aus zwei Händen geformt sind. Ist dies nicht der perfekte Ausdruck dessen, was Kunst für sie bedeutet?

Ein ähnliches Motiv findet sich auch bei Asti Pfannkuch. Als Kunstlehrerin am BK Haspel hat sie zwar täglich mit Kunst zu tun, doch ihre ganz persönliche Wahrnehmung der Welt verarbeitet sie in ihrer Dioramen-Serie „Liebling Singles24.de“. Diese etwa 30 cm großen Glaskästen zeigt sie in einem Raum
ihrer Wohnung im Briller Viertel. Jedes Diorama stellt das Selfie eines Singles nach, wobei die Darstellung der jeweiligen Szene möglichst nah an ein Originalfoto von bekannten Dating-Apps angelehnt ist. Zuerst in Skizzen festgehalten, werden diese Szenen fantasievoll dreidimensional erweitert. Grundlage der Figuren sind Puppen, deren Gesichter, Körper, Kleidung und Haare entsprechend gestaltet wurden. Die detaillierte Szenerie drumherum entspringt ihrer Fantasie, fügt sich jedoch so glaubhaft um den ursprünglichen Ausschnitt, dass man sie ohne Zögern für real hält. Die Groteske überschattet manchmal die Realität dahinter. Doch dieses Narrativ, das eigenverantwortlich veröffentlicht wird, darf und muss vielleicht in der Kunst rezipiert werden. „Es ist mehr eine Sozialstudie als ein Kunstprojekt“, sagt sie lachend.

Nicht die eigene Wohnung nutzt Julia Sen für die Ausstellung ihrer Werke, sondern ein Raum am Laurentiusplatz wurde ihr vom Kath. Bildungswerk Wuppertal zur Verfügung gestellt. Geboren in Wuppertal, zog es sie nach einem Abstecher von acht Jahren in Hamburg wieder zurück in ihre Heimat. Zurück im Tal stellt sie fest: „Die Geografie einer Stadt hat Einfluss auf ihre Bewohner. In Wuppertal hat man immer Tiefe und Weitblick, und das merkt man auch an den Menschen.“ Hier besuchte sie als Autodidaktin Kurse von Wolf Erlbruch und André Kern, vor allem im Bereich Zeichnen, insbesondere Aktzeichnen. Sie stand Modell und durfte im Gegenzug selbst zum Stift greifen. Die Begeisterung für diese Kunst ließ nie nach, und stets ist sie auf der Suche nach Modellen, um weitere feine Beobachtungen und Linien zu Papier zu bringen. Ihre Werke umfassen jedoch nicht nur farblose und kolorierte Zeichnungen sondern auch größere gemalte Bilder, die fantasievolle Motive – man könnte
fast von modernen Sagengestalten sprechen – zeigen. Sie arbeitet als Inklusionsassistentin, und dieser Job habe selbstverständlich einen Einfluss auf ihre Kunst. „Im Leben und im Job sammeln sich im Laufe der Tage und Wochen so viele Gefühle und Eindrücke an. Irgendwann müssen sie raus, die Kreativität entlädt sich, und wenn man sich dieser widmet, verspürt man nur Freiheit“, sagt Julia.


Am Ende des Tages haben die drei Künstlerinnen wohl eins gemeinsam: Sie bewahren sich die Kunst für sich selbst. Dennoch zeigen sie ihre Werke im Rahmen der WOGA einem interessierten Publikum und präsentieren sich. Dazu passt eine Zeile aus einem Song von Chloe Slater: „I don’t want to be rich, I
wanna be famous.“ Vielleicht ist es gerade das!