Zwei Tage „Die Spiel“ in Essen.
Ich glaube, es ist ein Vorteil, dass ich bei den Themen, die ich mir aussuche, oft Beobachter von außen bin. Ich bin in keinem Verein, keiner Partei – und in diesem Fall: auch in keiner Brettspielgruppe. Zwischendurch spiele ich mal, aber kann wenig mitreden. Da ich Messen gerade interessant finde, bot es sich an, mit Freunden diese zu besuchen und fotografisch etwas zu begleiten. Ich war nach irgendwas auf der Suche, aber eigentlich wollte ich mich überraschen lassen – was beides bedeutet, blieb offen. Lustige Szenen, verkleidete Leute, volle Gänge, müde Aussteller? Was davon hat einen Mehrwert? Ich teile einfach mal ein paar Gedanken, die mir an diesen zwei Tagen durch den Kopf gingen – oder die ich wiedergefunden habe.
Ich komme nicht umhin, das Thema „Paradox of Choice“ oder auch „Optionsparalyse“ zu erwähnen – und in dieser Messe ein passendes Beispiel dafür zu finden. 948 Aussteller und 1.700 neue Spiele sprechen für sich – die bekannten nicht zu vergessen. Natürlich ist nicht jedes Spiel für jeden gemacht, und es gibt genug Nischen, in denen man sich wiederfinden kann. Viele dieser Spiele haben sicher ihre Berechtigung – ich will die Szene nicht schlechtreden. Aber: Es ist schlicht nicht möglich, dass bei dieser Masse alles nötig oder herausragend ist.
Wie bei Musik, Film, Marmelade – manch einer kennt meine Meinung zu Dingen, die „zu viel“ sind – sind wir auch hier an einem Punkt des gesunden Maßes längst vorbei. Es gibt von allem schlicht zu viel. Warum? Weil der Markt es verlangt?
Der Umsatz von Brettspielen liegt in Deutschland bei etwa 400 Millionen Euro – Tendenz steigend. Während der Corona-Pandemie entdeckten viele Haushalte Gesellschaftsspiele neu, was wahrscheinlich auch zu diesem Anstieg führte.
Daran ist natürlich nichts verwerflich – ein Hobby ist ein Hobby ist ein Hobby.
Ich frage mich nur, ob denn alle Dinge kommerzialisiert werden müssen und Wachstum sein muss. Systemfrage? An anderer Stelle.
Ich könnte diesen Text auch über Filme, Musik, Marmelade schreiben.
Aber diese Quantität führt auch zu einem gewissen ästhetischen Burnout. Spiele werden visuell immer aufwendiger: Illustrationen – die sich dann doch sehr ähneln –, Miniaturen als Spielfiguren – aber auch Sparmaßnahmen bei Papp- statt Plastikfiguren –, Gadgets, riesige Spielfelder. Das Visuelle überlagert vielleicht manchmal das Inhaltliche. Und wenn ich die Menschen beobachte: Das Sammeln (statt Spielen) wird für manche zum Ersatzverhalten – dies kann in eine Konsumhaltung statt in spielerische Auseinandersetzung mit Spielen kippen.
Ein weiterer Punkt, der mir auffiel: Brettspiele gelten als sozial und gut – kann man dieses einfache Narrativ so stehen lassen? Ich sehe ins Spiel vertiefte Menschen, lachende Menschen, gelangweilte Menschen – kommt beim besten Spiel vor –, aber es sind immer mehrere am Tisch, was grundsätzlich ein sozialer Akt ist. Aber die soziale Szene dahinter kann durchaus als elitär bezeichnet werden: Wer erklärt, hat Macht — das gilt auch am Spieletisch.
Selbst ohne an vielen Runden teilgenommen zu haben, war beim Vorbeigehen doch öfter mal „Mansplaining“ zu beobachten und zu hören – wurde mir auch von Mitarbeiterinnen berichtet. Auch wenn es keine wahrnehmbare Mehrheit an Männern auf dieser Messe gibt, so versuchen sie dann doch im Mikrosozialen einen Machtakt zu erreichen – nicht nur unhöflich, sondern auch unnötig.
Auch diese Messe war interessant zu besuchen und ich kann sie empfehlen – man hat auf jeden Fall Spaß, und darauf kommt es doch beim Spielen an, oder?
Leider läuft man – von der Masse an Besuchern und hohen Essen- und Getränkepreisen – gestresst durch die Gegend und kommt nicht dazu, viele Spiele auszuprobieren.
Abseits all dem: Ich find es schön, wenn Menschen analoge Dinge tun. Grundsätzlich. Und wenn Menschen dabei auch noch zusammenkommen – noch besser!
Vereinsamung ist ein reales Problem, und wenn dieser durch teils zu viele – und manchmal unschöne – Spiele vorgebeugt wird, dann kann mein Urteil nur milder ausfallen. Im Grunde habe ich nur Dinge beobachtet.





























