OnlyFans – Liebe der Zukunft?

Interview vom 16.02.2025

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Wie lange betreibst du Onlyfans?

Mila: Das mache ich jetzt seit September 21.

Okay und ist es dein Hauptberuf?

Mila: Seit 2023, es war entweder Mai oder März. Seitdem mache ich das auch komplett hauptberuflich, davor habe ich noch im Einzelhandel gearbeitet.

Warum bist du umgestiegen?

Mila: Also das war tatsächlich so, dass wir uns gewünscht haben, reisen zu können und dabei Geld zu verdienen mit etwas, was wir generell schon leben. Da wir von Anfang an in unserer Beziehung schon Swinger waren – eine Woche bevor wir zusammengekommen sind, waren wir schon im Swingerclub zusammen – und generell hat er immer alles fotografiert und gefilmt. Deshalb hatten wir tatsächlich hier und da Filmchen. Dann haben wir wirklich geschaut: Was gibt es in unserem Leben, was wir nehmen und dann integrieren können, um auch von unterwegs gut mitverdienen zu können? Das war eigentlich schon direkt das Ding und dann war nur noch die Frage, wie wir das aufbauen.

War es ein niederschwelliger Einstieg? Also im Prinzip brauchst du ja nur Internet und 18 sein. Hast du dir Tipps geholt?

Mila: Nein, wir haben uns selber herangetastet. Wir haben es erst mal komplett ohne Gesicht versucht und ganz langsam nur Dessous-Bilder und Videos, gar nichts Sexuelles, so dass ich wirklich geschaut habe, womit fühle ich mich wohl? Was mag ich? Wo ist da mein Weg, bei dem ich sagen kann, dass ich auch zu 100% dahinterstehen, wenn ich das poste und jemand es sieht. So hat sich es sich entwickelt, zu dem Content, den wir heute machen.

Wenn man auf X oder Instagram unterwegs ist, gehört dieser spicy Content zum absoluten Bild dazu. Würdest du sagen, ist es gesellschaftlich in deinem Umfeld akzeptiert oder nur toleriert?

Mila: Akzeptiert. Bei mir im Umfeld ist es tatsächlich viel Akzeptanz und Toleranz.

Claudio: Das Ding ist einfach, wenn man sie kennt, dann weiß man, wer sie ist und sieht, dass sie online keine andere Person ist. Das Problem, was wir tatsächlich haben durch diese ganze Vielfalt, die da gerade herrscht, ist, dass diese Vielfalt nur auf Quantität geht. Das heißt, wir haben zwar sehr viele, die das tun, aber sie machen irgendwie alle dasselbe und alle verstellen sich gefühlt, meiner Meinung nach sogar ganz eindeutig, um im Internet jemanden darzustellen, der sie nicht sind – und das fällt auf, finde ich. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum sie diesen Erfolg hat: Wir halten einfach nur unser Leben fest und sie veröffentlicht das dann. Das ist halt sexuell ein bisschen gewagter und ausschweifender als andere leben, aber wir haben uns dieses Leben nicht extra angeeignet, um Content zu machen, sondern wir haben angefangen, Content zu machen, weil wir dieses Leben leben.

Dementsprechend in der Offline-Welt, wie ist es da?

Mila: Teile meiner Familie sind echt prüde, aber total hinter mir stehen und auch stolz auf mich sind, dass ich meinen Weg gehe, wie ich ihn gehe. Auch weil sie halt einfach sehen, dass ich zu 100% dahinterstehe und glücklich bin.

Kriegst du Anfragen von Anfragen von anderen Creator, ob du sie unterstützen würdest oder Tipps geben kannst?

Mila: Ich habe ja mal auf TikTok eine Umfrage gemacht. Das war Mitte des zweiten Jahres, in der wir das gemacht haben, glaube ich.

Claudio: Immer mal wieder haben wir das gemacht.

Mila: Da haben sich wirklich viele gemeldet, aber ansonsten eigentlich nicht. Ich hatte letztens mal wieder eine Anfrage, dass wenn sie anfangen würde, ich sie dann unterstützen würde. Aber ich mache das ja nicht, ohne dass man zusammen auch Content macht. Das finde ich ganz wichtig, weil ich möchte die Person kennenlernen und nicht meinen Leuten irgendetwas andrehen, was dann eine Abzocke ist.

Ein paar Zahlen: Nutzer 2019: 13.4 Mio. – Nutzer 2024: vsl. 390 Mio; Creator 2019: 0,3 Mio.Creator 2024: vsl. 4,9 Mio. Was denkst du zu diesen Zahlen?

Mila: Standard Pornos sind halt einfach bei vielen ausgelutscht. Viele wollen alles wieder Privater haben. Vor allem seit Corona. Weil da einfach so viel Privates gefehlt hat.

Claudio: Persönliches vor allem.

Mila: Ich glaube, das holen sich die Menschen jetzt irgendwie so ein bisschen wieder. Also ich kann mir gut vorstellen, dass es weiter hoch geht.

Claudio: Wenn du auf diese Pornoseiten gehst, hast du einfach deine Pornodarstellerin, die ist einfach zu weit weg. Und jetzt hast du da aber Mila, die ist dann in ihren TikToks zu sehen, antwortet dir unter ihren Kommentaren. Der kannst du auf Insta schreiben und sie antwortet dir, wenn du nicht gerade nur ein „Hi, du geile Sau“ oder so schreibst. Das ist einfach ein ganz anderer Zugang. Und daran hast du auch schon gesehen, dass das echt ist, organisch ist und nicht eben diese reine Pornoschiene. Die Leute suchen nach diesem persönlichen Zugang.

Meinst du, deine Abonnenten sehen dich dann teilweise schon als E-Girlfriend? 60% sind unter 35…

Claudio: Ein ganz, ganz geringer Anteil.

Mila: Ja, glaube ich auch. Also tatsächlich sind das nur die, die wirklich nicht mit mir schreiben. Die sich dann anhand rein von meinem Content irgendwie sich was zusammenschustern. Aber jeder Einzelne, mit dem ich mal geschrieben habe, der merkt das direkt.

Claudio: (…) Nicht nur das, sondern auch dieses „Baby“ oder „mein Schatz“. Sie kennt diese Menschen auf gar keinen Fall und redet sie so an. Und da kann man mir nicht erzählen, dass das nicht dargestellt ist. Dass das eben fake ist. Und dadurch geben andere Creator natürlich – weil es viele Seelen gibt, die sich eben von sowas fangen lassen – dann auch vielen das Gefühl: „Boah, ich glaub, die steht auf mich!“ Und sowas macht sie gar nicht. Also sie fängt gar nicht erst an, irgendwas zu erzählen, was nicht in ihrem Kopf ist, was nicht wahr ist.

Mila: (…) Mit den 60 % hätte ich schon gerechnet – auf jeden Fall. Weil ich sehe teilweise bei den Insta-Bildern, dass da super viele Jüngere dabei sind. Und jetzt wurde ich von einem Mädel angeschrieben, das sich Sorgen um ihren Freund macht, weil der eine Story von mir abgefilmt hat und dann auch auf OnlyFans unterwegs ist. Daran merkt man auch, dass jüngeres Publikum da irgendwie mit am Start ist – weil solche Geschichten gibt es bei Älteren dann nicht. Das kann ich mir gut vorstellen mit den 60 %.

Die gesellschaftliche Tendenz zu mehr Single-Haushalten, mehr Einsamkeit – denkst du, das wird dadurch noch befeuert?

Mila: Und da auch kommt es drauf an, wie man den Content gestaltet.

Claudio: Also, ich glaube schon, aber nicht sie. Und ich finde, das ist eher ein Problem der Gesellschaft an sich und des Familienbildes in der Gesellschaft – nicht ein Problem der Pornoindustrie. Tatsächlich glaube ich sogar, dass Pornos damit gar nichts zu tun haben.

Dieses Thema Familienbild finde ich eigentlich ganz interessant. Kannst du noch ein bisschen ausführen?

Mila: Also, es ist halt einfach so, dass es heutzutage beiden Parteien – Frauen und Männern – schwer gemacht wird, sich wohlzufühlen und eine Beziehung so zu führen, wie sie es für richtig halten. Ich finde, jeder sollte für sich ganz frei entscheiden. Und wenn man jetzt dieses „ältere Familienbild“ einfach leben möchte, ist es total schwierig wegen des Gehalts. Einer allein kann fast nicht mehr arbeiten gehen. Und dadurch fühlen sich halt ganz viele, die das eigentlich anstreben oder für lebenswert halten, unwohl, weil sie sich dann auch nicht akzeptiert fühlen in der Gesellschaft. Da sollte einfach wieder viel mehr reinfließen.

Claudio: Ich glaube auf jeden Fall nicht, dass diese ganze OnlyFans-Geschichte jemals auf den Status der typischen Pornoindustrie gelangen wird. Frag irgendwen auf der Straße nach Gina Wild, und jeder kennt sie, weil sie eben ein Pornosternchen war. Aber selbst die größte erotische OnlyFans-Creatorin, wenn sie nicht gerade ein Pornosternchen war, wird nicht überall bekannt sein. Ich glaube sogar eher, dass – wenn überhaupt – es so sein wird, dass sich die Pornoindustrie Leute aus dem Content-Creator-OnlyFans-Business rauspicken wird und diese dann nochmal größer vermarktet werden.

Okay, interessant. Siehst du das auch so?

Mila: Ja, auf jeden Fall, weil es tatsächlich eine ganz andere Schiene ist. (…) Genau, das ist ein guter Punkt, und das ist halt der Unterschied, weshalb das niemals ein Ding sein wird tatsächlich. Also ich glaube schon, dass dadurch, dass viele von der Pornoindustrie rübergehen, da auch viel gemixt wird. Diejenigen, die mit OnlyFans anfangen, um das so zu machen – die, denke ich, werden bei sich auf der Plattform bleiben.

Claudio: Und dementsprechend wird es auch keinen großen Einfluss auf die sichtbare Gesellschaft haben, meiner Meinung nach. Die Pornoindustrie, ja, keine Frage – aber diese Content-Creator werden keinen Einfluss auf die sichtbare Gesellschaft haben, sondern nur auf jeweilige Szenen, so wie wir eben eventuell Einfluss auf junge Leute in der Swinger-Szene hatten.

Ein Satz den ich letztens gehört habe:„Pornos haben die Vorstellung von Männern gegenüber Frauen verzerrt. Und OnlyFans hat die Vorstellung von Frauen gegenüber Männern verzerrt. Kennnst du das?“

Mila: Ich stehe jetzt hier und sage zum Beispiel, ich möchte die Männer nicht ausnehmen. Ich möchte eine Win-win-Situation schaffen, bei der ein Mann super viel bekommt und nicht viel zahlt. Wir unterstützen uns einfach gegenseitig: ich ihn bei seiner Einsamkeit und er mich bei meinem Einkommen. So sehe ich zum Beispiel meine Arbeit. Und ja, dieses Pay-per-View – also jedes Video einzeln bezahlen – das ist wirklich gutes Geld. Und wir bieten ja tatsächlich auch an, dass man, wenn man die Abo-Variante nicht machen kann, die Videos auch einzeln bezahlt. Aber dann zahlt man für ein Video so viel wie für das komplette Abo. Und die meisten Frauen, die da sind, sind wahrscheinlich da, um die Männer einfach ein bisschen zu benutzen.

Wird euer privater Content kommerzialisiert? Also wo viel Geld drin steckt, wollen viele einen Teil davon haben. Thema OF-Agenturen?

Mila: Ja, es gibt viel mehr Agenturen. Und da wird dann auch alles über einen Kamm geschert. Ich habe bisher noch keine Agentur kennengelernt, bei der das wirklich anders gelaufen ist. Es ist schon so, dass jede Nachricht eigentlich gleich aussieht. Ich glaube einfach, dadurch, dass das Angebot größer ist und einem viel abgenommen wird, lassen sich mehr Mädels darauf ein, und dadurch könnte alles auch ein bisschen eintöniger werden. Aber genauso schnell springen die Mädels halt auch wieder ab, solange sie sich nicht in so einen Vertrag eingeschrieben haben, bei dem sie dann viele Jahre drinbleiben müssen. Aber es existiert ja trotzdem. Und die Agenturen verbessern sich ja auch. Wenn es nicht läuft, müssen sie ihre Taktiken ändern, sonst wird es ja nichts. Also ja, kann gut sein. Das muss jeder für sich selber entscheiden.

Aber du hast Vertrauen in deine Kollegin, dass die sich selbstbestimmt? Also dass diese Plattform bei euch bleibt?

Mila: Ich glaube, das bleibt bei den meisten so. Vor allem bei denen, die sich genau OnlyFans und die anderen Plattformen aussuchen. Die machen das ja aus einem bestimmten Grund – und zwar, weil sie selber entscheiden wollen, wie, wo, was läuft. Und weil sie das selber unter Kontrolle haben wollen. Deshalb kann ich mir irgendwie schwer vorstellen, wie man seine Arbeit dann so aus der Hand geben kann.

Denkst du, dass KI-Avatare immer Konkurrenz machen werden?

Mila: Ich habe ein bisschen Schiss davor, dass die einem die Identität im Internet klauen. Weil ich das schon bei einer Bekannten gesehen habe, die ein Video von einem Abonnenten bekommen hat, in dem sie zu sehen ist, wie sie mit ihm redet. Das ist halt voll seltsam. Es gibt jetzt schon viele Fake-Profile, die dann meine Leute anschreiben und die dann sehr intim mit den Leuten schreiben und Gutscheine oder Sonstiges haben wollen. Tatsächlich fallen auch viele darauf rein, weil sie sich dann gerade mal freuen, dass ich denen jetzt geantwortet habe oder sie angeschrieben habe, wobei das ein Fake-Profil ist. Aber da habe ich auch schon viele Videos gemacht, in denen ich sage: „So Leute, passt auf! Ich schreibe euch nicht an.“

Claudio: Die Menschen probieren das immer alles mal aus, aber nichts ist so viel wert wie das Echte. Egal worum es dabei geht, sei es jetzt Kosmetik, Naturkosmetik oder Musik, Schallplatte versus MP3 – ich glaube, am Ende finden die Menschen immer wieder zurück zu dem, was wertschätzender ist, was mehr gibt. Und das ist nun mal die Schallplatte, die du da zu Hause hast, die du pflegen kannst mit Herz und Seele und die dann einfach auch den geileren Sound abgibt als so eine MP3, wenn du die richtige Anlage hast.

Mila: Ja, das sehe ich auch. Das ist ja auch das, weshalb es mit OnlyFans so gut läuft. Ich habe nur Schiss davor, dass irgendwann die Menschen denken könnten, das wäre echt – also wenn sie Videos von mir sehen, die von einer KI erstellt wurden, und denken, das bin ich. Und diese KI macht dann aber am Tag 15 Videos und geht definitiv viraler als ich. Darum geht es mir. Nicht darum, dass die Menschen nicht beim Echten bleiben wollen.

Aber meinst du doch am Ende des Tages kommst du da gut durch?

Mila: Ich denke schon. Wenn ich sowas bemerke und immer im Kontakt mit den Menschen bleibe, werde ich auch immer die Ansprechpartnerin sein. Dass sie weiterhin – so wie sie es jetzt auch machen –, wenn sie sowas wie einen Fake-Account bemerken oder sich nicht sicher sind, mich erst mal auf Insta anschreiben, sodass ich ihnen da direkt helfen kann. Ich hoffe einfach, dass es dabei bleibt, und wenn es dabei bleibt, ist auch alles cool. Ja, aber so gruselig ist es schon.

Wenn man sagt: du bist 18 und willst leichtes Geld verdienen, dann mach halt OnlyFans. Gefühlt ist es die leichteste Art Geld zu verdienen…

Mila: Ist es nicht!

Ja, das sagst du dazu?

Mila: Es ist definitiv nicht die leichteste Art, Geld zu verdienen. Du brauchst mindestens ein Jahr Anlaufzeit, damit dich die Leute überhaupt erstmal im Internet kennen. Wir haben bis zu einem Jahr gebraucht, um so groß zu werden, dass wir denken konnten: „Oh ja, das wird was.“ So, wie wir das gemacht haben, würde ich es jedem ans Herz legen – weil man damit einfach für sich selbst auf der sicheren Seite ist. Es ist nicht schön, wenn man auf etwas angesprochen wird, wofür man sich schämt. Deshalb würde ich jedem raten, diesen Weg zu gehen: immer bei sich zu bleiben, immer nur das zu machen, was einem gefällt, und sich auf keine Spielchen einzulassen. Dieser Weg dauert einfach immer ein bisschen, und man muss wirklich konsequent dranbleiben. Mein Mann sagt immer gerne: „Das Internet vergisst nie, aber es vergisst sehr schnell.“ Das heißt, wenn du nicht konsequent dranbleibst, dann war es das auch. Wenn du eine Woche nichts postest, dann hast du in der Woche vielleicht auch nur 30 Euro verdient. Das ist halt immer so das Ding. Nein, es ist nicht so leicht, und Content sollte auch gepostet werden, wenn es dir gerade scheiße geht, wenn du gerade scheiße aussiehst. Das muss man einfach mit einplanen. Du hast dein Handy immer dabei, und bestenfalls hast du auch alles mit aufgezeichnet. Wenn du wirklich an das große Geld möchtest, läuft das halt nochmal krasser. Im besten Fall hast du nonstop jemanden, der mit der Kamera hinter dir herläuft, damit du deine Videos daraus schneiden kannst. Nein, das ist es definitiv nicht. Ich würde niemals sagen, dass es leicht verdientes Geld ist. Es ist gutes Geld, es ist dankbares Geld, aber es ist nicht leicht.

Aber du kannst es den jungen Mädels nicht übel nehmen, die einfach ganz naiv gedacht, ich will Geld verdienen, ich habe keinen Bock auf Arbeit, weil vielleicht diese Gesellschaft wenig für mich tut.

Mila: Nein, ich kann es niemandem übel nehmen, aber ich würde es für ein bisschen blöd, also für ein bisschen naiv halten. Ich war auch ein Stückchen jünger als jetzt, und hätte ich ihn nicht dabei gehabt, der gewusst hätte wie, dann wäre ich damit auch richtig vor die Wand gelaufen, und ich hätte definitiv mehr Fehler gemacht. Hätte ich mich da alleine drangesetzt als Mädel in jungen Jahren, weil man denkt: „Oh ja, schnelles Geld!“, hätte ich dabei auch schnell viele Fehler gemacht. Und das ist halt nun mal das Internet. Wenn man da mal einen Ruf weg hat … Wie ich schon gesagt habe, das Internet vergisst zwar auch, aber trotzdem kommt hier und da vielleicht mal irgendwas wieder hoch. Deshalb sollte man trotzdem einfach aufpassen. Deswegen würde ich es niemandem raten, einfach drauf loszustürmen. Ich würde immer schauen, dass ich mich vorher vielleicht wirklich an eine Content-Creatorin wende, bei der ich sage: „Da gefällt mir der Content.“ Ich spreche sie einfach mal an und frage nach ein paar Infos, denn jeder kann einem vielleicht ein paar Sachen mit auf den Weg geben. Ich glaube, wenn da mehr Kommunikation unter den Creatorn herrschen würde, wäre das alles auch ein bisschen besser. Dann könnte ich auch jüngeren Frauen sagen: „Okay, ihr habt jetzt die Infos, jetzt könnt ihr damit gucken, was ihr anfangt.“ Tatsächlich war es aber schon ganz oft so, dass die sich nie wieder gemeldet haben, nachdem ich erzählt habe, wie das alles läuft und was man da so beachten muss.

Meinst du die Leute fehlen in der Gesellschaft, wenn es immer lukrativer wird und es entsprechend immer mehr Creator gibt?

Mila:  Du meinst auf dem Arbeitsmarkt richtig?

Claudio: Nein, sie sind ja nicht weg. Die meisten verdienen sich nur ein Taschengeld dazu. Um davon zu leben, musst du echt eine ordentliche Stange Geld umsetzen, gerade in Deutschland. Das stellen die Mädels, die damit anfangen, schnell fest. Das heißt, sie sind dann gezwungen, weiterhin arbeiten zu gehen. Und solange wir mehr Leute im Sozialgefüge haben, die theoretisch arbeiten könnten, finde ich die Frage an Content-Creator, ob sie dadurch in der Gesellschaft fehlen, irrelevant.

Mila:  Weil theoretisch ist es ja auch so, dass wir einen Haufen Geld an Steuern wieder reinpumpen, weshalb ja auch irgendwie das nicht fehlt, sondern es ist ja quasi wieder drin.

Claudio:  Und sie hat ja trotzdem ihre Friseurausbildung.

Mila: Genau, stimmt, ich bin gelernte Friseurin, und das würde ich auch jedem raten. Es ist immer wichtig, auf jeden Fall irgendwo ein Standbein zu haben, das man immer nutzen kann. Ja genau, erstmal dein Leben regeln und dann kannst du immer noch gucken. Also, das würde ich dir raten.

Ich dachte wirklich, es wäre eindeutiger, dass du sagen würdest: ,Klar, macht das doch alle. Verdient damit euer Geld, ist easy..‘

Mila: Ja, man sollte damit nicht anfangen, wenn man kein dickes Fell hat – wenn man sich nicht vorher darüber im Klaren ist, dass jeder in deinem Umfeld das irgendwann weiß. Jeder! (…) Deshalb ist es so wichtig, bei sich selbst zu bleiben. Und tatsächlich hatte ich auch schon Tage, an denen ich da saß und gar nicht mehr klarkam, weil ich mir morgens irgendwelche Kommentare auf TikTok angesehen habe. Er löscht jetzt teilweise die größten oder schlimmsten, sodass sie gar nicht mehr an mich herankommen. Ich meine, so jemanden muss man auch erst mal an seiner Seite haben, der so auf die Emotionen aufpasst. Ich habe ein super dickes Fell. Und mir ist es nicht egal, was andere über mich denken, aber ich kann das gut und gerne einfach beiseiteschieben und bei den Menschen selbst lassen. Aber wenn man ungefragt durchgehend kommentiert wird und alles, was man macht, kommentiert wird, können manche Dinge dann doch treffen.

Eine letzte Frage zur Gesellschaft: Die Zahlen zeigen es – die Anzahl der Creator und Nutzer steigt rapide. Ist mit dieser Gesellschaft alles in Ordnung?

Mila: Nein.

Claudio: Aber das hat wenig damit zu tun. Ja. Mit der Gesellschaft ist einiges nicht in Ordnung.

Mila: Kann man vielleicht so sehen. Die Menschen brauchen Erotik in ihrem Leben, und wenn ein Teil davon auf irgendeine Art und Weise genommen wird – wie jetzt zum Beispiel das Persönliche in der Pornoindustrie –, dann holen sie sich das auf einer anderen Seite wieder, wie anscheinend jetzt mit sowas wie OnlyFans. Ja, das ist auf jeden Fall ein Produkt der Gesellschaft, aber das Problem liegt woanders.

Claudio: Das Ding ist, derjenige, der zu Hause einsam sitzt, wird nicht einsamer dadurch, dass wir zum Beispiel Sex-Filmchen drehen. Als wir uns hier die Puppe geholt haben, haben wir uns auch Gedanken darüber gemacht, wie krass das eigentlich ist: wie echt diese Puppe aussieht und wie viele Menschen sich eventuell in ein gemeinsames Leben mit dieser Puppe hineinsteigern, wenn sie alleine zu Hause sind. Also, ich glaube schon an dieses Problem, aber ich glaube nicht, dass wir da wirklich einen großen Beitrag leisten. Ich sehe uns da nicht. Wenn wir zum Beispiel mit Leuten über das reden, was wir machen, versuchen wir unter Freunden das „Wir drehen Pornos“ mehr oder weniger zu vermeiden. Klar wissen sie, was wir machen – aber wenn wir jemandem erklären, was wir tun, dann sagen wir nicht: „Wir drehen Pornos“, sondern „Wir drehen Sex-Filmchen“ oder „Wir halten unser Sexleben fest“. Aber wir vermeiden das Wort „Porno“. Sobald du dieses Wort erwähnst, bist du in den Köpfen der Menschen direkt Teil der Pornoindustrie.

Eine OF-Creator will mit 1.000 Männern schlafen. Vor 30 Jahren hätte das vermutlich keine Schlagzeilen gemacht – aber das Internet war gefühlt voller Begeisterung.

Mila: Ja, das hat aber auch ein bisschen etwas mit dem Feminismus zu tun. (…) Sie steht da selbstbestimmt, will das und zieht es durch. Eine Frau wird heutzutage dann für so etwas gefeiert. Weil sie ist ja eine Frau, und sie darf natürlich machen, was sie möchte. Dafür bin ich auch. Ich glaube einfach, dass dieser Wandel von den Gedanken der Menschen herkommt.

Das ist eigentlich auch interessant. Sind wir weiter auf dem richtigen Weg mit dem Feminismus?

Mila: Ich finde halt immer, dass Druck nur Gegendruck erzeugen kann. Also, wenn man das Thema Feminismus zu sehr aufbauscht, kommt einfach nur Hass dabei heraus. Und zurzeit ist es einfach Hass gegen Männer – was ich auch einfach falsch finde. Denn ich finde, dass ein Mensch – egal ob Mann oder Frau – immer ein Individuum ist. Für mich ist der richtige Weg immer, zu schauen: Wie machen wir es in der Zukunft? Und nicht: Das ist in der Vergangenheit passiert. Deshalb ist es immer wichtig, einfach das zu leben, was man für richtig hält. Und dadurch, dass man es lebt und mit Leuten interagiert, gibt man viel mehr von seiner Denkweise an andere weiter, als wenn man einfach nur sagt: „So und so ist das aber falsch.“

Verträgt sich Feminismus und OnlyFans? Du kannst es auch Gleichberechtigung nennen.

Mila: Gleichberechtigung. Aber das ist auch irgendwo nochmal so ein eigenes Thema, weil ich persönlich finde: Gleichberechtigung ist, wenn wir erkennen, dass wir einfach unterschiedliche Qualitäten haben und dementsprechend eingesetzt werden. So sehe ich Gleichberechtigung. Und das hat nichts damit zu tun, dass ich genauso bin wie er – denn er ist anders als ich, und er hat andere Qualitäten, und ich habe andere Qualitäten. Das hat auch nicht unbedingt etwas mit Mann und Frau zu tun. So sehe ich das Thema. Deshalb ist dieses Feminismus-Ding halt auch einfach – genauso wie Rassismus – an der falschen Stelle. Weil wir theoretisch am Anfang bei Liebe anfangen müssten und uns weiter vorarbeiten sollten. Dann hätten wir die ganzen Probleme gar nicht.

Fehlt dann im realen Leben die Liebe, wenn es immer mehr Creator gibt und die Leute vielleicht draußen gar nicht mehr danach suchen?

Mila: Ich glaube, auch da liegt das Problem am Ende nicht bei den Creatorn, sondern am Anfang bei den Menschen, die sich gar nicht mehr trauen, sich aufeinander einzulassen. Die Menschen haben teilweise Standards, die von einem anderen Menschen gar nicht erfüllt werden können, weshalb sie sich gar nicht auf etwas einlassen. Und wenn wir schon im Kindergarten und in der Schule anfangen würden, uns gegenseitig mit mehr Liebe, Akzeptanz und Verständnis zu begegnen, würde es auch wieder mehr in die Richtung gehen, dass man jedem auf der Straße wieder „Hallo“ sagt – so wie es auf dem Dorf üblich ist. Dadurch entstünde automatisch eine andere Gesprächsbasis, was wiederum dazu führen würde, dass man tiefer mit vielen Leuten ins Gespräch kommt, viel mehr Menschen kennenlernt und sich viel mehr Menschen finden würden, die zueinander passen. Deshalb sehe ich auch da das Problem nicht am Ende bei den Creatorn. Es wird einfach nur die Spalte genutzt, die durch die Zeit entstanden ist.